Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über alles Getier, das auf Erden kriecht (Gen 128).
Die Aufforderung, sich die Welt untertan zu machen und über die Fische im Meer und die Vögel unter dem Himmel sowie über alles Getier, das auf Erden kriecht, ist verdächtig, an dem Raubbau der Menschen an der Natur und den Ressourcen, die die Erde bietet, schuld zu sein. Von Umweltschutz und Schonung der Ressourcen findet sich in Genesis 1 nichts. Einzig der anschließende Satz ließe sich so interpretieren, dass die Nahrung zu teilen ist:
Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise. Aber allen Tieren auf Erden und allen Vögeln unter dem Himmel und allem Gewürm, das auf Erden lebt, habe ich alles grüne Kraut zur Nahrung gegeben. (Gen 129f).
Der evangelische Theologe Erhard S. Gerstenberger, Gießen, befasst sich in seinem Beitrag „Vom Sinn und Missbrauch der ‚Herrschaftsformel‘“ ausführlich mit der Frage, inwieweit diese Formel bereits im Buch Genesis einen Anspruch formuliert, die Natur und hier hauptsächlich die Tiere willkürlich zu beherrschen. Er kommt zu einem differenzierten Ergebnis und vermutet, dass dieser zugespitzte Auftrag eine priesterschriftliche Überarbeitung darstellt, die einerseits die gesellschaftliche Hierarchie zum Ausdruck bringt, zum anderen auf den Opferkult im Blick hat. Der König herrscht über seine Untertanen und, Tiere zu opfern, kann nur dann rechtmäßig sein, wenn der Mensch über die Tiere herrschen darf.
In der alten Kirche hat jedoch diese Frage kaum eine Rolle gespielt. Dennoch räumt Gerstenberger ein, dass die Frage nach der Interpretation seit der Entdeckung neuer Kontinente und der Eroberungszüge mit Zwangschristianisierungen an Aktualität gewann. Besonders die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert führte dazu, dass die ökologischen Probleme heute die Aussage, die Erde untertan zu machen, einer theologischen Aufarbeitung bedarf.
Ob nun Gen 128 oder ein Zusammenhang mit der protestantischen Arbeitsethik, wie der Soziologe und Nationalökonom Max Weber in seinem Beitrag „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitals“ behauptet, besteht, sei dahingestellt, Tatsache ist auf jeden Fall, dass im 19. Jahrhundert die industrielle Revolution eingesetzt hat. Die Erfindung der Dampfmaschine, des mechanischen Webstuhls, der Entdeckung der Elektrizität uns schließlich auch die Erfindung des Ottomotors bzw. Dieselmotors förderten die Ausbeutung der Naturschätze. Dass das ein Problem werden wird, war am Anfang wohl noch nicht mitgedacht. Vielmehr setzte auf Grund der Industrialisierung eine Landflucht in die Städte ein. Die Städte wuchsen und veränderten ihr Gesicht.
In Wien wurde durch Kaiser Franz-Josef I verfügt, die Stadtmauer niederzureißen und stattdessen einen Prachtboulevard zu errichten. Am Wienerberg entstand daher eine der größten Ziegelbrennereien. Die Arbeiterinnen und Arbeiter (Ziegelbehm und Maltafrauen) kamen aus Tschechien. Wien war um 1900 die zweitgrößte tschechische Stadt. Die Arbeitsbedingungen waren katastrophal.
Für bürgerliche Einwohner/innen der Städte wurden die Städte zunehmend zu einem Sündenpfuhl und die sozialdemokratischen Aktivitäten mit Misstrauen beäugt und verdächtigt, vom Judentum gesteuert zu werden. Es entstand das Bild vom reichen Juden.
In der Folge setzte eine erste ökologische Protestbewegung ein, die Naturschutz mit Rassenschutz verband. Intendiert waren gesunde Ernährung, Heilkunde, Rassenschutz, Kampf gegen Alkohol und Nikotin. Tierschutz und Vegetarismus standen ebenfalls auf dem Programm.
Dabei fanden sich unterschiedliche Gruppen zusammen: die Reformpädagogik, Wandervogelbewegung, Freikörperkultur, Gartenstadtbewegung u.v.m.
Eine weitere Klammer dieser Bewegung findet sich in der Anthroposophie Rudolf Steiners und Esoterik.
Bereits 1895 wurde in der Nähe Berlins eine Obstbaugenossenschaft gegründet, die das Pflanzenfleisch erfand, und eigene Säfte und Marmeladen an Reformhäuser lieferte. In einem Programmheft wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass zum natürlichen Leben vegetarische Ernährung und deutsch-völkische Gesinnung Voraussetzung sei.
Die Nationalsozialisten hatten wenig Probleme, diese Ideen aufzugreifen und in die nationalsozialistische Bewegung einzubauen. Diese Bewegungen lieferten quasi das Ideal einer bäuerlichen Gesellschaft. Blut- und Bodenromantik musste nur noch in den Nationalsozialismus integriert werden. Das Gleiche galt für die Körperkultur. Auch für sie war der Boden bereitet und verbunden mit dem arischen Menschen war der nationalsozialistische Herrenmensch als idealer Typus konstruiert. Hilmar Schmundt, Der SPIEGEL, weist in diesem Zusammenhang auf einen Bestseller im Dritten Reich hin: Mensch und Sonne von Hans Surén, in dem nicht nur zahllose Nacktphotos von Männern und Frauen abgebildet seien, sondern Anleitung zu Yoga-ähnlichen Verrenkungen gegeben und zum Nacktskifahren angeregt werde.
„Kraft durch Freude“ war das Motto, das als Ideal der Realität der anlaufenden Kriegsmaschinerie entgegen gesetzt wurde. Leni Riefenstahl setze das Programm filmisch um. Während Leni Riefenstahl nach dem Ende des 2. Weltkriegs in der Filmwelt nicht mehr Fuß fassen konnte, war ihr Kollege Luis Trenker bis ins hohe Alter aktiv, obwohl seine Bergfilme genau diese Idealisierung eine Lebens in der Heimat und in der Bergwelt gegenüber dem Lebens in der Stadt zum Programm hatte. Aber er konnte offenbar glaubhaft machen, dass er zwar kein Widerstandskämpfer war, aber auch kein glühender Befürworter des NS-Regimes war, sondern bloß seine Filme drehen wollte und sich damit mit den Nationalsozialisten irgendwie arrangieren musste.
Nach dem Ende des 2. Weltkriegs waren die Menschen erst einmal um das nackte Überleben bemüht und dann um den Wiederaufbau verbunden mit dem so genannten Wirtschaftswunder. Dennoch überlebte der alte Geist weiter, denn man ersetzte den Rassismus einfach durch Kultur- und Heimatbegriff. Die alten Garden wie Konrad Lorenz (*1903, ✝︎1989) und Günther Schwab (*1904, ✝︎2006) waren wieder dabei. Schwab trat bereits 1930 der in Österreich verbotenen NSDAP bei, wurde 1931 SA-Mitglied und erreichte den Rang eines Sturmführers. 1935 veröffentlichte er den Roman Mensch ohne Volk. Nach dem 2. Weltkrieg gründete er die Zeitschrift „Glücklicher Leben - der stille Weg“, die später unter dem Titel „Lebensschutz“ zum offiziellen Organ des Weltbundes zur Rettung des Lebens (WRL) mutierte. Später wurde der WRL in WSL (Weltbund zum Schutz des Lebens) umbenannt. Der 1935 erschienene Roman wurde 1949 unter dem Titel Abenteuer am Strom wieder veröffentlicht. Allerdings wurde der Roman überarbeitet, in dem bestimmte Worte und Tendenzen geändert bzw. gelöscht wurden. Die zweifelsfreie völkische Tendenz im Ursprungsroman fehlt in der Neuüberarbeitung. 1958 veröffentlichte Schwab das Buch „Der Tanz mit dem Teufel“. In diesem Buch seien jedoch völkisch-biologistische Ansichten wieder zu finden.
Besonders der inflationär verwendete Begriff „Heimat“ ist ambivalent. Zwar klingt der Begriff heimelig, jedoch wurde er erst laut Peter Bierl seit der Reformationszeit verwendet und war ursprünglich ein juristischer Begriff, der den Armen Heimatrecht zusprach und damit auch die Versorgung durch die Stadt bzw. des Dorfs zusprach. Auf der anderen Seite grenzte er natürlich die aus, die nicht dazu gehörten. Die Romantik habe den Begriff Heimat emotional aufgeladen, indem, wie Peter Bierl festhält, die Heimatliebe zur Liebe zum großen Ganzen aufgewertet wurde. Heimat- und Vaterlandsliebe schlössen daher die vermeintlich Fremden aus und würde davon ablenken, dass nicht die Fremden, sondern in der Regel die heimischen Unternehmen, Politiker etc. die Umwelt zerstören.
Erst in den 1970er Jahren wurde das Thema Umweltschutz auch von der linken Szene entdeckt und mit Kapitalismuskritik verbunden. Waren es zu Anfang Einzelpersonen oder kleine Gruppen, die sich gegen bestimmte Bauprojekte engagiert haben, so wurde mit Bau des Atomkraftwerkes in Zwentendorf der Umweltschutz zur gesamtgesellschaftlichen Frage in Österreich. Dass das Atomkraftwerk nicht in Betrieb genommen wurde, verdankt sich wohl der Tatsache, dass Umweltschützer/innen gemeinsam mit ÖVP-Anhänge/rInnen, die eher dem damaligen Bundeskanzler Kreisky eins auswischen wollten, da die ÖVP ursprünglich für die Inbetriebnahme war, gemeinsame Sache machten.
Schließlich war der geplante Bau des Kraftwerks Hainburg der Startschuss für die Gründung einer grünen Partei. Diese gestaltete sich zu Anfang ausgesprochen schwierig, da die Interessen und politischen Ideologien bei den verschiedenen Gruppen unterschiedlicher nicht sein konnten.
Umweltschutz, Tierschutz, gesunde Ernährung usw. sind selbstverständlich berechtigte Anliegen und, wie gesagt, seit den 1970er Jahren ein Anliegen eines wohl großen Teils der Bevölkerungen. Die Schwierigkeit ist allerdings häufig darin zu sehen, dass die berechtigten Sorgen und Anliegen in einem esoterischen Dschungelkampf aufgehen und der Anthropozentrismus zugunsten eines übergeordneten Systems aufgegeben werden soll. Anthropozentrismus dient der Esoterik als Feindbild. Dabei ist aber zu bedenken, dass über geordnete Wertsysteme in der Regel zur Diktatur führen. Denn dann bestimmen Eliten darüber, wie der Einzelne zu leben hat. Wenn die Familie das zentrale System ist, dann bestimmen bestimmte Familienmitglieder, wie die einzelnen zu leben haben; wenn das Volk das zentrale Wertesystem ist, dann bestimmt eine Elite, wie der Einzelne zu leben hat. Wenn es der alles durchdringende göttliche Geist ist, dann bestimmenden Eingeweihte, wie der Einzelne zu leben hat.
Die Grünen sind bei der vorletzten Wahl zum Nationalrat in Österreich aus dem Parlament hinaus gewählt worden. Möglicherweise liegt der Grund darin, dass eine großbürgerliche Eilte bestimmen wollte, wie das Volk zu leben hat.
Sich vom Anthropozentrismus abzuwenden, bedeutet Herrschaft einer Elite. Die Frage ist daher nicht, wie werden wir den Anthropozentrismus los, sondern wie ist eine Debatte über die Umwelt, über Tierschutz, über Klimaveränderung etc. möglich und erfolgreich, ohne rechte oder linke Elitenbildung, die wissen, was für den Einzelnen gut ist.
Die Nationalratswahl 2019 brachte die Grünen zurück in den Nationalrat und im Jänner 2020 in eine Regierungskoalition mit der ÖVP.