Montag, 28. Mai 2018

Eines muss man ja den derzeit Regierenden lassen: die Strategie, irgendwelche Randthemen hochzuschaukeln und Nebelgranaten zu werfen, um von eigentlichen Zielen abzulenken, ist nachgerade genial. Ob da einige selbst oder  Strateginnen und Strategen im Hintergrund Niccolò Machiavelli gelesen haben, der im Grunde neutral von der Regierungskunst reden wollte, aber dessen Gedanken durchaus für die Strategie, Macht anzusammeln, gelten?

Und dann gib es noch ein Buch aus den 1920er Jahren, das auch die Strategie, wie Massen zu beeinflussen seien, über viele Seiten thematisiert. Grundtenor: die Masse ist dumm: "Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten unter denen, an die sie sich zu richten gedenkt... Die Aufnahmefähigkeit der großen Masse ist nur sehr beschränkt, das Verständnis klein, dafür die Vergeßlichkeit groß."

Rauchen oder nicht rauchen, das ist plötzlich eine Frage, die offenbar lebensentscheidend ist und die Zukunft grau oder rosig erscheinen lässt. Obwohl wahrscheinlich sogar eine Mehrheit der Raucherinnen und Raucher gar nicht mehr so erpicht ist, dass ihr bei genussvollen Speisen plötzlich der Qualm vom Nachbartisch in die Nase zieht, lässt es sich doch trefflich streiten.

130 oder 140 auf der Autobahn, diese 10 Kilometer in der Stunde machen den Kohl nicht fett. Wenn überhaupt Zeit zu gewinnen ist, handelt es sich um wenige Minuten. Dafür ist es lauter, die Umwelt wird mehr belastet und die Bremswege werden länger. Es lässt sich damit aber gut polarisieren.

Wir sind für das Rauchen und lassen uns doch nicht vorschreiben, wo man rauchen darf oder nicht!
Wir lassen uns doch nicht vorschreiben, wie schnell wir fahren dürfen! Eine anonyme Macht will uns die Freude nehmen und da sind wir dagegen.

Ja, und das Binnen-I. Schreck lass nach! Wir schaffen das wieder ab, weil es so umständlich ist. Was? Umständlich? Beim Schreiben muss man halt einen Buchstaben groß schreiben und beim Reden ist es sowie so besser, man spricht in voller Länge beide Geschlechter an. Kein Vortrag wird dadurch unverständlich oder umständlich. Ältere erinnern sich vielleicht an die übliche Schreibweise: Sehr geehrte Herren! Schon lange hat sich eingebürgert: Sehr geehrte Damen und Herren als Anrede im Briefen zu verwenden.
Aber natürlich wird offenbar damit gerechnet, dass diese Diskussion Aufregung verursacht.

Darum geht es wohl in der Tat: Auf irgendwelchen Nebenschauplätzen Aufregung zu schüren und alle tappen in die Falle.

Es wird über das Rauchen gestritten, es wird über die Sinnhaftigkeit von Tempo 140 gestritten und natürlich ist die Empörung groß, im Genderbereich wird zurückgehen hinter Entwicklungen, die schon selbstverständlich schienen.

Und noch so eine Nebelgranate: wir sparen jetzt endlich einmal. Die Masse ist vergesslich. Wird nicht seit gefühlter Ewigkeit das Finanzressort von ein und derselben Partei verwaltet? Warum wurde nicht schon längst gespart? Was heißt überhaupt sparen? Der staatliche Haushalt ist nicht vergleichbar mit einem Familienhaushalt. Aber dazu muss man sich halt mit Ökonomie beschäftigt haben. Sparen klingt aber offenbar gut.

Reformen sind immer notwendig. Manch eingeschliffene Abläufe müssen bisweilen überdacht werden, aber wenn das Thema Reform zur Nebelgranate wird, dann wird es für die Demokratie höchst bedenklich. Wenn es in Wirklichkeit gar nicht um Reform geht, sondern um Machtverschiebung oder, wenn es in Wirklichkeit darum geht, finanzielle Mittel von den Armen zu den Reichen zu verschieben, dann müssten die Alarmglocken läuten.

Aber das ist genau das Problem der Nebelgranaten. Da kennt man sich nicht so aus, das Thema ist kompliziert für die Massen und die Nebenschauplätze lenken gut ab.

Und wenn dann der so genannte kleine Mann zu merken beginnt, dass der eigene Geldbeutel plötzlich nicht mehr so gut bedient wird, dann ist nicht mehr die jüdische Weltverschwörung schuld, sondern sind es die Ausländer.

Dieser Schachzug ist megagenial. Man redet von Integration und tut genau das Gegenteil davon. Man schafft eine zusätzliche Verarmung der Armen, man kriminalisiert die Flüchtlinge pauschal und, wenn sie sich dann so verhalten, dann war's ja schon immer klar und man beginnt einfach wieder von vorn. Die Ausländer...
Vergessen ist dann, wer für die Grauslichkeiten erst einmal gesorgt hat. Die Masse ist vergesslich.

Die Nebelgranaten funktionieren im Moment sehr gut. Die Ablenkung von den wirklich wichtigen Themen ist geradezu meisterhaft.

Was tun?