Wirtschaft und Ehtik - (k)ein Widerspruch?
Der Philosoph Adam
Smith (1723-1790) gilt als der Begründer der modernen Nationalökonomie und war
ein Verfechter des Wirtschaftsliberalismus. Er wandte sich gegen
Handelsbeschränkungen, Zunftwesen und Monopol- bzw. Kartellbildungen. Der
allgemeine Wohlstand gründet sich in der individuellen Arbeit und auch in der
Kooperation der Menschen. Grundsätzlich entwickelt Smith eine Art von
Gesellschaftstheorie, die höchst modern erscheint. Eine seiner ethischen
Hauptfragen zielt auf das individuelle oder gesellschaftliche Glück. Seine
These ist: Wenn das individuelle Glück gefördert und erstrebt wird, dann wird
quasi wie durch eine „unsichtbare Hand“ auch das allgemeine Wohl und Glück
verbreitet.
Diese These von der
unsichtbaren Hand ist die bekannteste These von Smith und bedeutet auch, dass
der Staat bei Smith kein eigenes Interesse haben, sondern nur die
Rahmenbedingungen vorgegeben darf, deren Definition aus dem 20. und nicht aus
dem 18. Jahrhundert zu stammen scheinen. Die Aufgaben des Staates bestünden nur
in der Landesverteidigung, polizeiliche Aufgaben zum Schutz des Menschen und
des Eigentums sowie Aufgaben, die privat nicht übernommen werden können. Zu
letzterem zählen z.B. die Bildung und das Transportwesens.
Dennoch gab es jedoch
auch bereits zur Zeit von Adam Smith das Problem, dass es ein Einkommensgefälle
zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gab. Smith versuchte dies dadurch zu
erklären, dass die Arbeitgeber eine kleine Gruppe darstellen, die sich leichter
gegen die große Gruppe der Arbeitnehmer durchsetzen kann. Den tatsächlichen
Frühkapitalismus, der durch die Erfindung der Dampfmaschine eingeleitet wurde,
hat Adam Smith nicht mehr erlebt.
Das 19. Jahrhundert
zeigte den Wirtschaftsliberalismus und Frühkapitalismus von seiner schlimmen
Seite. Massenverelendung, Kinderarbeit, hygienisch katastrophale Zustände,
unwürdigste Lebens- und Wohnverhältnis u.v.m.
Auf diese Verelendung
der Massen wurde unterschiedlich reagiert. Auf kirchlicher Seite war die
Antwort eher ein individuelles
Engagement. Hier sind vor allem Namen wie Friedrich von Bodelschwingh der
Ältere sowie der Jüngere, Bethel, Johann Hinrich Wichern, Hamburg, Martin Boos,
Gallneukirchen, Elvine Gräfin de la Tour, Waiern und viele andere zu nennen,
die jeweils unterschiedliche Zielgruppen hatten.
In England zeigte
sich die Verelendung in den Städten dramatisch. In London gründete daher
William Booth die Heilsarmee, die straff militärisch organisiert, zu den
Menschen gehen sollte. Dank Catherine Booth baute die Heilsarmee auf
Gleichberechtigung von Mann und Frau auf.
Dieses Engagement von
Persönlichkeiten kritisierte zwar die herrschenden Strukturen, aber es gab
keine grundsätzliche Theorie der Wirtschaft, sondern christliches Engagement
bewegte sich im karikativen Bereich getragen von einzelnen Persönlichkeiten.
Eine völlig andere
Antwort fand Karl Marx (1818-1893). In seinem Hauptwerk „Das Kapital“
entwickelte er eine Gesellschaftstheorie, die die Kritik der politischen
Ökonomie, die Kritik des Kapitals als Ware, die Kritik der Produktions- und
Besitzverhältnisse bis zur Kritik der bürgerlichen Ökonomie reichte. Die Lösung
sah Karl Marx' in einem wissenschaftlichen Sozialismus, der die bestehende
Gesellschaftlich umstürzt. Bourgoisie und Arbeiterschaft stehen sich
unversöhnlich gegenüber. Diese kann nur durch eine Revolution überwunden
werden. Das Proletariat müsse die Macht übernehmen, die Produktionsmittel
müssen enteignet werden. Ziel ist eine klassenlose Gesellschaft, die allerdings
recht vage beschrieben wurde.
Schon in den
Frühschriften von Marx findet sich die berühmt gewordene Aussage, Religion sei
Opium des Volkes. Marx will damit sagen, dass die ökonomischen Verhältnisse die
Menschen dazu veranlasst sich der Religion zuzuwenden, um sich von den ökonomischen
Verhältnissen abzulenken und sich zu betäuben. Lenin wird später diesen Satz zu
„Opium für das Volk“ verändern. Der Staat benutze die Religion, die Menschen zu
benebeln. Lenin hatte natürlich die besonders enge Beziehung zwischen
russ.-orth. Kirche und dem Zarenhaus vor Augen.
Karitatives
Engagement bleibt ein wesentliches Element, sich um (Rand-)Gruppen in der
Gesellschaft zu kümmern. Diakonie und Caritas und andere
Wohltätigkeitsorganisationen haben sich aber zu Organisationen entwickelt, die über
individuelles Helfen hinaus auch gesellschaftskritische Aufgaben übernommen
haben. Monopolbildung im Bereich der Wohltätigkeitsorganisationen wäre – hier
kann man wieder Adam Smith folgen – nicht im Sinne des Allgemeinwohls.
Die
Gesellschaftsanalyse von K. Marx ist weitgehend überholt. Die Weiterentwicklung
des so genannten Marxismus führte zu den bekannten Folgen und kann wohl als
gescheitert angesehen werden, auch wenn Teilaspekte der ökonomischen Theorie
durchaus auch heute noch diskutierenswert sein mögen.
Die ökonomischen
Bedingungen haben sich verändert. Die Einteilung in Proletariat und Kapitalist
stimmt so nicht mehr. Vor allem die soziale Marktwirtschaft hat nach dem
zweiten Weltkrieg in Europa zu ungeahntem Wohlstand geführt.
Dennoch ist dieser
Wohlstand nicht für alle Menschen erreicht worden und die Globalisierung führt
weltweit zu den so genannten Globalisierungsverlierern.
Angesichts der
Finanzkrise, Korruption, wirtschaftliche Beziehungen zu zweifelhaften Regimen
lassen heute wieder verstärkt vermuten, dass Wirtschaft und Ethik schwer
zusammen zu bringen ist. Im Finanzsektor wird wieder spekuliert, als hätte es
keine Finanzkrise gegeben. Das Profil (Nr.11, 14.3.2011) vermutet, dass
Österreich zu einem „Selbstbedienungsladen“ geworden ist, in dem zumindest ein
„verschworener Zirkel“ nicht so sehr das Wohl Österreichs, sondern die eigene
Tasche im Auge gehabt hätte. Auch in internationalen wirtschaftlichen
Beziehungen wurden und werden Regime hoffiert, die ihre Bevölkerung unterdrücken,
ausbeuten oder , wie das Beispiel Libyen zeigt, rücksichtslos auf die eigene
Bevölkerung los schlägt, wenn die Throne der Machthaber zu schwanken beginnen.
Natürlich sind
Korruption und Steuerbetrug verboten. Hier ist es jedoch die Frage, inwieweit
die entsprechende Verfolgung durch staatliche Behörden ermöglicht wird und
möglich ist, inwieweit eine europäische oder gar internationale Zusammenarbeit
der Behörden stattfindet. Bankgeheimnisse, nationale Auskunftsresistenz machen
die Ermittlungen durchaus nicht einfach.
Das Spekulationswesen
ist eines der Hauptgeschäfte im Finanzsektor geworden. Spekulationen auf
Lebensmittel führen zur Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln, die vor
allem die Ärmsten der Armen treffen. Hochseeflotten der großen Industrienationen
fischen die Gewässer leer und entziehen den Menschen in ärmeren Gegenden ihre
Lebensgrundlage. Überproduktionen in den Industrieländern, die nach Afrika
billig verkauft werden, zerstören einheimische Betriebe. Preisdiktate zerstören
die Wirtschaft ganzer Länder. Verlagerung von Arbeitsplätzen in so genannte
Billiglohnländer haben hier und da Probleme gebracht.
Grundsätzlich liegt
also der Verdacht nahe: Ethik und Wirtschaft schließen einander aus. Dennoch
gibt es unzählige Literatur über Wirtschaft und Ethik und die Konzerne,
die Politik bringen selbst Ethik und
Wirtschaft in Zusammenhang.
„Sustainability beziehungsweise Nachhaltigkeit: Hierauf gründet unser Werteverständnis. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete unternehmerische Verantwortung ist tragendes Element unserer Unternehmensstrategie. Profitables und langfristiges Wachstum ist unser Ziel, eine verantwortungsvolle Wertschöpfung unser Weg dorthin.“ (Siemens Österreich).
Ebenso betont die OMV das Nachhaltigkeitsinteresse des
Konzerns.
Kein Betrieb und kein
Konzern kann inzwischen auf einen so genannten Code of Conduct verzichten, in
dem der Umgang mit den Shareholdern und Stakeholdern, d.h. mit Aktionären und mit den MitarbeiterInnen,
mit den Kunden, aber auch mit denen, die irgendwie vom Handeln des Betriebs
oder Konzerns direkt oder indirekt betroffen sind, unter ethischen und
nachhaltigen Aspekten geregelt wird.
Hier ist offenbar
seit einigen Jahren ein Umdenken eingetreten. Offenbar hat sich die Erkenntnis
durchgesetzt, dass langfristiger Erfolg auch etwas mit Nachhaltigkeit und Ethik
zu tun haben könnte. Selbstverständlich ist nicht nur Papier geduldig, sondern genauso
sind es wohl auch elektronische Seiten. Umso mehr ist es notwendig, darauf zu
achten, inwieweit die angekündigten Verhaltensweisen transparent und
überprüfbar sind.
Bereits 1972 hat der
amerikanische Wirtschaftswissenschaftler J. Tobin eine Finanztransaktionssteuer
eingefordert, die kurzfristige Währungsspekulationen eindämmen könnte. Erst 29
Jahre später hat sich das europäische Parlament durch gerungen, eine Steuer
dieser Art zu beschließen, die nun allerdings erst von den europäischen Staaten
eingeführt und umgesetzt werden muss. Ob man sie nun Tobinsteuer oder
Transaktionssteuer nennt, sie ist auf jeden Fall für Globalisierungskritiker
ein Mittel, um Währungsspekulationen zu begrenzen, die so manche
Volkswirtschaft in Schwierigkeiten bringen. Die noch weiterführende Frage ist
allerdings, ob nicht Spekulation auf Lebensmittel grundsätzlich verboten werden
müsste.
Doch kommen wir noch
einmal zurück auf Adam Smith. Er forderte, dass der Staat sich weitgehend aus
der Wirtschaft zum Eigennutz heraushält, aber Regeln vorgibt und in zentralen Bereichen seine
Verantwortung übernimmt. Damit ist Smith, abgesehen davon, dass er viele Dinge
nicht voraussehen konnte und auch nicht mehr erlebt hat, ein fast moderner
Denker im Zusammen von Ökonomie und Ethik.
Folgt man den
Gedanken von Smith heute, so lässt sich nicht sagen, dass es auf der einen
Seite die bösen Wirtschaftstreibenden, die bösen Banker, die Ausbeuter gäbe und
auf der anderen Seite das leidende Volk, die Ausgebeuteten usw., sondern es
gibt die verantwortungsvollen Banker und es gibt die verantwortungslosen
Banker, die verantwortungsvollen Manager und die verantwortungslosen Manager usw.
A. Götzelmann
(Götzelmann, 68 ff) spricht von zwei unterschiedlichen Theorien, die die Frage
nach der Unternehmensethik beantworten: auf der einen Seite die
Shareholdertheorie, auf der anderen Seite die Stakeholdertheorie.
Geht man einmal davon
aus, dass in den Firmen verantwortungsvolle Personen tätig sind, die im Rahmen
der gesetzlich vorgegebenen Bedingungen und auch den internationalen Vorgaben
z.B. der OECD gehorchen, so stelle sich dennoch die Frage, wer das Objekt der
Unternehmensethik sei. Die Shareholdertheorie besage nun, dass alle
MitarbeiterInnen einer Aktiengesellschaft ausschließlich dem Eigentümer gegenüber verantwortlich seien.
Götzelmann weist auf den liberalen Ökonomen Milton Friedmann hin, der die
einzige Aufgabe eines Unternehmens darin sieht, so viel Gewinn wie möglich zu
machen und eine soziale Verantwortung der Unternehmen ablehnt. Allein der
wirtschaftliche Erfolg eines Betriebes trage zum Wohlstand der Gesellschaft
bei.
Die
Stakeholdertheorie geht hingegen davon aus, dass alle, die irgendwie von dem
Handeln des Betriebs betroffen sind, die Objekte des ethischen Handelns sind.
Damit werden, so Götzelmann, auch die Shareholder zu Stakeholdern. Die Natur,
die Tiere, die Umwelt kommen ebenfalls in den Blickpunkt und sind Objekte des
ethischen Handelns.
Selbstverständlich
sind die Interessen der verschiedenen Stakeholder unterschiedlich und es kann
zu Konflikten kommen. Hier kommt es darauf an, dass das Unternehmen
entsprechendes „Stakeholdemanagement“ besitzt, das Konflikte, Interessensgegensätze
etc. „in ethischer Perspektive“ löst. Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit,
Menschenwürde, Menschenrechte auf der Basis des geltenden Rechts seien dabei
die Kriterien, die den Umgang mit den Stakeholdern regelt (Götzelmann, 71). Die
Zielgruppen des ethischen Handelns fasst die Stakerholdertheorie sehr weit.
Viele Unternehmen
geben sich heute sozial, umweltbewusst, demokratisch. Doch entsprechen die
Ankündigungen und Absichtserklärungen der Realität? Wenn soziale Aktivität in
keinem Verhältnis zur Größe des Unternehmen steht oder Umwelt bewusstes Handeln
auf einem Nebengleis geschieht, dann dient die Absichtserklärung wohl eher der
Besänftigung der Stakeholder oder der Public Relation und gerade nicht den
Betroffenen.
Damit bekommt die
Öffentlichkeit eine Rolle zugesprochen, die durchaus auch entsprechende Macht
besonders im Zeitalter der elektronischen Medien und sozialen Netzwerken wie
Facebook, Twitter und anderen hat. Bereits 1995 gelang es durch öffentliche
Mobilisierung und einem 50%igen Umsatzeinbruch an deutschen Tankstellen den
Konzern Shell zu bewegen, eine ausrangierte Ölplattform nicht in der Nordsee zu
versenken, sondern an Land zu entsorgen.
Gerade im Zeitalter
der Globalisierung spielt die Verantwortung der Öffentlichkeit daher eine besonders
große Rolle, da verbindliche Regeln schwer für alle und überall aufzustellen
sind. Die Versuchung in Ländern ohne verbindliche Regel aus welchen Gründen
auch immer, Standards zu unterschreiten ist groß, da nicht davon ausgegangen
werden kann, dass der Mitbewerber die Regeln einhält, sondern sich einen
Vorteil verschaffen könnte, in dem die Standards nicht eingehalten werden. Nur
Transparenz und genaues Beobachten können verhindern, dass der Code of Conduct,
die Nachhaltigkeit, die Menschenrechte, das soziale Engagement nicht nur auf
dem Papier stehen, sondern eine wesentliche Ausrichtung des Konzerns ist. Viele
Unternehmen sind sich aber durchaus bewusst, dass Ökonomie und Ethik sich nicht
ausschließen, sondern ergänzen und sich für den Konzern langfristig bezahlt
macht.
Literatur:
A. Götzelmann,
Wirtschaftsethik Workshop kompakt. Ein Studien- und Arbeitsbuch in die
ökonomische Ethik, Norderstedt 2010
Marx-Engels-Werke,
Berlin 1977
A. Smith, Wohlstand
der Nationen, hrsg, von H. Schmidt, 2009
17.3.2011