Donnerstag, 13. Juni 2013

Wirtschaft und Ethik

Wirtschaft und Ehtik - (k)ein Widerspruch?





Der Philosoph Adam Smith (1723-1790) gilt als der Begründer der modernen Nationalökonomie und war ein Verfechter des Wirtschaftsliberalismus. Er wandte sich gegen Handelsbeschränkungen, Zunftwesen und Monopol- bzw. Kartellbildungen. Der allgemeine Wohlstand gründet sich in der individuellen Arbeit und auch in der Kooperation der Menschen. Grundsätzlich entwickelt Smith eine Art von Gesellschaftstheorie, die höchst modern erscheint. Eine seiner ethischen Hauptfragen zielt auf das individuelle oder gesellschaftliche Glück. Seine These ist: Wenn das individuelle Glück gefördert und erstrebt wird, dann wird quasi wie durch eine „unsichtbare Hand“ auch das allgemeine Wohl und Glück verbreitet. 


Diese These von der unsichtbaren Hand ist die bekannteste These von Smith und bedeutet auch, dass der Staat bei Smith kein eigenes Interesse haben, sondern nur die Rahmenbedingungen vorgegeben darf, deren Definition aus dem 20. und nicht aus dem 18. Jahrhundert zu stammen scheinen. Die Aufgaben des Staates bestünden nur in der Landesverteidigung, polizeiliche Aufgaben zum Schutz des Menschen und des Eigentums sowie Aufgaben, die privat nicht übernommen werden können. Zu letzterem zählen z.B. die Bildung und das Transportwesens.

Dennoch gab es jedoch auch bereits zur Zeit von Adam Smith das Problem, dass es ein Einkommensgefälle zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gab. Smith versuchte dies dadurch zu erklären, dass die Arbeitgeber eine kleine Gruppe darstellen, die sich leichter gegen die große Gruppe der Arbeitnehmer durchsetzen kann. Den tatsächlichen Frühkapitalismus, der durch die Erfindung der Dampfmaschine eingeleitet wurde, hat Adam Smith nicht mehr erlebt.

Das 19. Jahrhundert zeigte den Wirtschaftsliberalismus und Frühkapitalismus von seiner schlimmen Seite. Massenverelendung, Kinderarbeit, hygienisch katastrophale Zustände, unwürdigste Lebens- und Wohnverhältnis u.v.m. 


Auf diese Verelendung der Massen wurde unterschiedlich reagiert. Auf kirchlicher Seite war die Antwort eher  ein individuelles Engagement. Hier sind vor allem Namen wie Friedrich von Bodelschwingh der Ältere sowie der Jüngere, Bethel, Johann Hinrich Wichern, Hamburg, Martin Boos, Gallneukirchen, Elvine Gräfin de la Tour, Waiern und viele andere zu nennen, die jeweils unterschiedliche Zielgruppen hatten. 


In England zeigte sich die Verelendung in den Städten dramatisch. In London gründete daher William Booth die Heilsarmee, die straff militärisch organisiert, zu den Menschen gehen sollte. Dank Catherine Booth baute die Heilsarmee auf Gleichberechtigung von Mann und Frau auf.

Dieses Engagement von Persönlichkeiten kritisierte zwar die herrschenden Strukturen, aber es gab keine grundsätzliche Theorie der Wirtschaft, sondern christliches Engagement bewegte sich im karikativen Bereich getragen von einzelnen Persönlichkeiten.


Eine völlig andere Antwort fand Karl Marx (1818-1893). In seinem Hauptwerk „Das Kapital“ entwickelte er eine Gesellschaftstheorie, die die Kritik der politischen Ökonomie, die Kritik des Kapitals als Ware, die Kritik der Produktions- und Besitzverhältnisse bis zur Kritik der bürgerlichen Ökonomie reichte. Die Lösung sah Karl Marx' in einem wissenschaftlichen Sozialismus, der die bestehende Gesellschaftlich umstürzt. Bourgoisie und Arbeiterschaft stehen sich unversöhnlich gegenüber. Diese kann nur durch eine Revolution überwunden werden. Das Proletariat müsse die Macht übernehmen, die Produktionsmittel müssen enteignet werden. Ziel ist eine klassenlose Gesellschaft, die allerdings recht vage beschrieben wurde.


Schon in den Frühschriften von Marx findet sich die berühmt gewordene Aussage, Religion sei Opium des Volkes. Marx will damit sagen, dass die ökonomischen Verhältnisse die Menschen dazu veranlasst sich der Religion zuzuwenden, um sich von den ökonomischen Verhältnissen abzulenken und sich zu betäuben. Lenin wird später diesen Satz zu „Opium für das Volk“ verändern. Der Staat benutze die Religion, die Menschen zu benebeln. Lenin hatte natürlich die besonders enge Beziehung zwischen russ.-orth. Kirche und dem Zarenhaus vor Augen.

Karitatives Engagement bleibt ein wesentliches Element, sich um (Rand-)Gruppen in der Gesellschaft zu kümmern. Diakonie und Caritas und andere Wohltätigkeitsorganisationen haben sich aber zu Organisationen entwickelt, die über individuelles Helfen hinaus auch gesellschaftskritische Aufgaben übernommen haben. Monopolbildung im Bereich der Wohltätigkeitsorganisationen wäre – hier kann man wieder Adam Smith folgen – nicht im Sinne des Allgemeinwohls.


Die Gesellschaftsanalyse von K. Marx ist weitgehend überholt. Die Weiterentwicklung des so genannten Marxismus führte zu den bekannten Folgen und kann wohl als gescheitert angesehen werden, auch wenn Teilaspekte der ökonomischen Theorie durchaus auch heute noch diskutierenswert sein mögen.

Die ökonomischen Bedingungen haben sich verändert. Die Einteilung in Proletariat und Kapitalist stimmt so nicht mehr. Vor allem die soziale Marktwirtschaft hat nach dem zweiten Weltkrieg in Europa zu ungeahntem Wohlstand geführt.

Dennoch ist dieser Wohlstand nicht für alle Menschen erreicht worden und die Globalisierung führt weltweit zu den so genannten Globalisierungsverlierern.



Angesichts der Finanzkrise, Korruption, wirtschaftliche Beziehungen zu zweifelhaften Regimen lassen  heute wieder verstärkt  vermuten, dass Wirtschaft und Ethik schwer zusammen zu bringen ist. Im Finanzsektor wird wieder spekuliert, als hätte es keine Finanzkrise gegeben. Das Profil (Nr.11, 14.3.2011) vermutet, dass Österreich zu einem „Selbstbedienungsladen“ geworden ist, in dem zumindest ein „verschworener Zirkel“ nicht so sehr das Wohl Österreichs, sondern die eigene Tasche im Auge gehabt hätte. Auch in internationalen wirtschaftlichen Beziehungen wurden und werden Regime hoffiert, die ihre Bevölkerung unterdrücken, ausbeuten oder , wie das Beispiel Libyen zeigt, rücksichtslos auf die eigene Bevölkerung los schlägt, wenn die Throne der Machthaber zu schwanken beginnen.


Natürlich sind Korruption und Steuerbetrug verboten. Hier ist es jedoch die Frage, inwieweit die entsprechende Verfolgung durch staatliche Behörden ermöglicht wird und möglich ist, inwieweit eine europäische oder gar internationale Zusammenarbeit der Behörden stattfindet. Bankgeheimnisse, nationale Auskunftsresistenz machen die Ermittlungen durchaus nicht einfach.

Das Spekulationswesen ist eines der Hauptgeschäfte im Finanzsektor geworden. Spekulationen auf Lebensmittel führen zur Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln, die vor allem die Ärmsten der Armen treffen. Hochseeflotten der großen Industrienationen fischen die Gewässer leer und entziehen den Menschen in ärmeren Gegenden ihre Lebensgrundlage. Überproduktionen in den Industrieländern, die nach Afrika billig verkauft werden, zerstören einheimische Betriebe. Preisdiktate zerstören die Wirtschaft ganzer Länder. Verlagerung von Arbeitsplätzen in so genannte Billiglohnländer haben hier und da Probleme gebracht.


Grundsätzlich liegt also der Verdacht nahe: Ethik und Wirtschaft schließen einander aus. Dennoch gibt es unzählige Literatur über Wirtschaft und Ethik und die Konzerne, die  Politik bringen selbst Ethik und Wirtschaft  in Zusammenhang.

„Sustainability beziehungsweise Nachhaltigkeit: Hierauf gründet unser Werteverständnis. Eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete unternehmerische Verantwortung ist tragendes Element unserer Unternehmensstrategie. Profitables und langfristiges Wachstum ist unser Ziel, eine verantwortungsvolle Wertschöpfung unser Weg dorthin.“ (Siemens Österreich).
Ebenso betont die OMV das Nachhaltigkeitsinteresse des Konzerns.


Kein Betrieb und kein Konzern kann inzwischen auf einen so genannten Code of Conduct verzichten, in dem der Umgang mit den Shareholdern und Stakeholdern, d.h.  mit Aktionären und mit den MitarbeiterInnen, mit den Kunden, aber auch mit denen, die irgendwie vom Handeln des Betriebs oder Konzerns direkt oder indirekt betroffen sind, unter ethischen und nachhaltigen Aspekten geregelt wird.


Hier ist offenbar seit einigen Jahren ein Umdenken eingetreten. Offenbar hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass langfristiger Erfolg auch etwas mit Nachhaltigkeit und Ethik zu tun haben könnte. Selbstverständlich ist nicht nur Papier geduldig, sondern genauso sind es wohl auch elektronische Seiten. Umso mehr ist es notwendig, darauf zu achten, inwieweit die angekündigten Verhaltensweisen transparent und überprüfbar sind.


Bereits 1972 hat der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler J. Tobin eine Finanztransaktionssteuer eingefordert, die kurzfristige Währungsspekulationen eindämmen könnte. Erst 29 Jahre später hat sich das europäische Parlament durch gerungen, eine Steuer dieser Art zu beschließen, die nun allerdings erst von den europäischen Staaten eingeführt und umgesetzt werden muss. Ob man sie nun Tobinsteuer oder Transaktionssteuer nennt, sie ist auf jeden Fall für Globalisierungskritiker ein Mittel, um Währungsspekulationen zu begrenzen, die so manche Volkswirtschaft in Schwierigkeiten bringen. Die noch weiterführende Frage ist allerdings, ob nicht Spekulation auf Lebensmittel grundsätzlich verboten werden müsste.


Doch kommen wir noch einmal zurück auf Adam Smith. Er forderte, dass der Staat sich weitgehend aus der Wirtschaft zum Eigennutz heraushält, aber Regeln vorgibt  und in zentralen Bereichen seine Verantwortung übernimmt. Damit ist Smith, abgesehen davon, dass er viele Dinge nicht voraussehen konnte und auch nicht mehr erlebt hat, ein fast moderner Denker im Zusammen von Ökonomie und Ethik.


Folgt man den Gedanken von Smith heute, so lässt sich nicht sagen, dass es auf der einen Seite die bösen Wirtschaftstreibenden, die bösen Banker, die Ausbeuter gäbe und auf der anderen Seite das leidende Volk, die Ausgebeuteten usw., sondern es gibt die verantwortungsvollen Banker und es gibt die verantwortungslosen Banker, die verantwortungsvollen Manager und die verantwortungslosen Manager usw.


A. Götzelmann (Götzelmann, 68 ff) spricht von zwei unterschiedlichen Theorien, die die Frage nach der Unternehmensethik beantworten: auf der einen Seite die Shareholdertheorie, auf der anderen Seite die Stakeholdertheorie.

Geht man einmal davon aus, dass in den Firmen verantwortungsvolle Personen tätig sind, die im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen Bedingungen und auch den internationalen Vorgaben z.B. der OECD gehorchen, so stelle sich dennoch die Frage, wer das Objekt der Unternehmensethik sei. Die Shareholdertheorie besage nun, dass alle MitarbeiterInnen einer Aktiengesellschaft ausschließlich dem  Eigentümer gegenüber verantwortlich seien. Götzelmann weist auf den liberalen Ökonomen Milton Friedmann hin, der die einzige Aufgabe eines Unternehmens darin sieht, so viel Gewinn wie möglich zu machen und eine soziale Verantwortung der Unternehmen ablehnt. Allein der wirtschaftliche Erfolg eines Betriebes trage zum Wohlstand der Gesellschaft bei.

Die Stakeholdertheorie geht hingegen davon aus, dass alle, die irgendwie von dem Handeln des Betriebs betroffen sind, die Objekte des ethischen Handelns sind. Damit werden, so Götzelmann, auch die Shareholder zu Stakeholdern. Die Natur, die Tiere, die Umwelt kommen ebenfalls in den Blickpunkt und sind Objekte des ethischen Handelns.


Selbstverständlich sind die Interessen der verschiedenen Stakeholder unterschiedlich und es kann zu Konflikten kommen. Hier kommt es darauf an, dass das Unternehmen entsprechendes „Stakeholdemanagement“ besitzt, das Konflikte, Interessensgegensätze etc. „in ethischer Perspektive“ löst. Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit, Menschenwürde, Menschenrechte auf der Basis des geltenden Rechts seien dabei die Kriterien, die den Umgang mit den Stakeholdern regelt (Götzelmann, 71). Die Zielgruppen des ethischen Handelns fasst die Stakerholdertheorie sehr weit.

Viele Unternehmen geben sich heute sozial, umweltbewusst, demokratisch. Doch entsprechen die Ankündigungen und Absichtserklärungen der Realität? Wenn soziale Aktivität in keinem Verhältnis zur Größe des Unternehmen steht oder Umwelt bewusstes Handeln auf einem Nebengleis geschieht, dann dient die Absichtserklärung wohl eher der Besänftigung der Stakeholder oder der Public Relation und gerade nicht den Betroffenen.


Damit bekommt die Öffentlichkeit eine Rolle zugesprochen, die durchaus auch entsprechende Macht besonders im Zeitalter der elektronischen Medien und sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und anderen hat. Bereits 1995 gelang es durch öffentliche Mobilisierung und einem 50%igen Umsatzeinbruch an deutschen Tankstellen den Konzern Shell zu bewegen, eine ausrangierte Ölplattform nicht in der Nordsee zu versenken, sondern an Land zu entsorgen.

Gerade im Zeitalter der Globalisierung spielt die Verantwortung der Öffentlichkeit daher eine besonders große Rolle, da verbindliche Regeln schwer für alle und überall aufzustellen sind. Die Versuchung in Ländern ohne verbindliche Regel aus welchen Gründen auch immer, Standards zu unterschreiten ist groß, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Mitbewerber die Regeln einhält, sondern sich einen Vorteil verschaffen könnte, in dem die Standards nicht eingehalten werden. Nur Transparenz und genaues Beobachten können verhindern, dass der Code of Conduct, die Nachhaltigkeit, die Menschenrechte, das soziale Engagement nicht nur auf dem Papier stehen, sondern eine wesentliche Ausrichtung des Konzerns ist. Viele Unternehmen sind sich aber durchaus bewusst, dass Ökonomie und Ethik sich nicht ausschließen, sondern ergänzen und sich für den Konzern langfristig bezahlt macht.



Literatur:

A. Götzelmann, Wirtschaftsethik Workshop kompakt. Ein Studien- und Arbeitsbuch in die ökonomische Ethik, Norderstedt 2010

Marx-Engels-Werke, Berlin 1977

A. Smith, Wohlstand der Nationen, hrsg, von H. Schmidt, 2009





17.3.2011